Blitze leuchten weit oben in den Bergen auf. Sie hallen noch auf der Iris nach, als das ferne Grollen des Donners längst verklungen ist. Dunkle Wolken schieben sich über die Gipfel und Kämme. Sie tragen Regen in sich, den sie über den Hängen ausspucken als würden sie sich übergeben. Aber so ist die Natur in den Bergen. Roh, ungezähmt, gefährlich. Genau so klingt auch die Musik von LUNA SOL. Wuchtiger, dröhnender Rock, geboren in der Einsamkeit der Rocky Mountains. Doch LUNA SOL ist mehr. Ihr Signature-Sound aus dem trockenen Groove des Desert Rock, der sumpfigen Gravitas des Blues und den naturmystischen Legenden der Bergbewohner trägt auf dem zweiten Album „Below The Deep“ das Gefühl von etwas Gewaltigem, Übermächtigen in sich, das stets außerhalb der Wahrnehmung lauert. Und ziemlich verkatert ist. Drei Jahre nach dem süffigen Geniestreich „Blood Moon“ legt Stoner-Veteran David Angstrom ein Album vor, das so nur in der felsigen Abgeschiedenheit Colorados entstehen konnte – und dennoch den Southern Rock seiner ursprünglichen Heimat Kentucky in sich trägt wie Restalkohol im Blut. „Ich liebe Colorado und mein Leben hier, singe immer noch leidenschaftlich gern über die Legenden dieser kleinen Bergdörfer, die ich oft besuche. Diesmal wollte ich aber ein paar meiner Southern-Roots und meine Südstaatenerziehung exhumieren“, sagt er. Das ist nicht alles, was sich auf „Below The Deep“ verändert hat. Für Shanda und Pat sind Justin Baier und David Burke in die Band gekommen, außerdem, so Angstrom, klingen LUNA SOL jetzt deutlich mehr, wie er sich das in seinem Kopf immer schon vorgestellt hat. Damit können wir gut leben.
Angstrom ist einer dieser Künstler, die sehr von ihrer Umgebung geprägt werden. Morgens macht er Yoga in der Stille der freien Natur, trinkt Kaffee und hört Tom Waits, danach fährt er mit seinem alten Truck an der Seite seiner Frau durch die Gegend und sammelt Sagen und Mythen ein wie ein Schrotthändler verrostete Einzelteile. „Außerdem liebe ich Denver und seine Musikszene“, betont er. „Hier kann ich einfach ich sein. Als Künstler, Ehemann und Vater – und als Musik-Nerd!“ David Angstrom ruht in sich. Das merkt man ihm an, das merkt man auch seiner Musik an. „Ich bin sehr glücklich, dass ich dieses Leben führen darf. LUNA SOL ist da das absolute Tüpfelchen auf dem i. Und verhindert“, lacht er, „dass meine Finger einrosten.“ Seit er zehn ist, nutzt er Songwriting als Eskapismus und Ventil. Daran wird sich nie etwas ändern. „Musik ist so ein wichtiger Teil von mir, dass ich das gar nicht trennen kann. Ich schreibe ständig Songs in meinem Home Studio. Das ist großartig: ich schleiche mich davon und mache ein bisschen Lärm. Na ja, und manchmal kommt dann ein neues Album dabei heraus.“ So wie diesmal. Was mit „Blood Moon“ schon stark begann, wird auf „Below The Deep“ konsequent fortgesetzt. LUNA SOL denken den Stoner Rock weiter, indem sie ihn munter links und rechts des Weges nach Spielgefährten suchen lassen. Tut gut, sorgt für frischen Wind und bringt eine geheimnisvolle Aura in den wunderbar organisch groovenden Sound der Band. „Es ist so“, beginnt er. „Einerseits beeinflusst mich der Blick aus dem Fenster auf diese herrliche Bergwelt. Andererseits schaue ich dann auf die Wand daneben, wo meine Vintage-Amps und Gitarren hängen, und stelle fest, dass ich die auch alle nicht enttäuschen will.“ Was dann herauskommt, ist irgendwie eine auf 11 gedrehte Mischung zwischen erdiger, mystischer Schwere, spiritueller Ader und groovender Riff-Übermacht. Kurzum: Ein echt großes, innig empfundenes Rock-Album.
Das geht nur, wenn man seine Persönlichkeit in die Musik legt. Oder gleich die Persönlichkeit der ganzen Familie: Seine Frau ist am Piano zu hören, seine beiden Kinder singen in einem Song, die engen Freunde David W Prasse und Jason Groves halfen bei der Produktion. „Das war bei meinen früheren Bands Supafuzz oder Hermano auch so: Freunde und Familie, die zusammen Musik machen. Klingt cheesy, ist aber brillant!“ Und führt bei der Single „Along The Road“ zu einem monumentalen Stampfer, den er seinen Kindern gewidmet hat, bei „Garden Of The Gods“ zu einer aufrichtigen Entschuldigung, beim Riff-Furor von „The Dying Conglomerate“ zu einer Abrechnung mit amerikanischen Politikern und bei „Hallelujah“ zu einer triumphalen Feier des Lebens. LUNA SOL sind weit gekommen mit diesem zweiten Album. Und dennoch hat man das Gefühl, dass David Angstroms Rocky-Mountains-Rock gerade erst Fahrt aufnimmt.